Gesundheit & Mental LoadAchtsamkeit & SelbstfürsorgeWas Selbstfürsorge im Familienalltag wirklich bedeutet

Was Selbstfürsorge im Familienalltag wirklich bedeutet

Selbstfürsorge klingt gut – aber was heißt das eigentlich, wenn man zwischen Brotdosen, Hausaufgaben und Einschlafbegleitung lebt?

Wenn ich das Wort „Selbstfürsorge“ höre, denke ich ehrlich gesagt nicht sofort an meine morgendliche Gesichtsmaske oder den Latte Macchiato im hippen Café. Ich denke eher an die Momente, in denen ich es schaffe, nicht auszurasten, obwohl das Wohnzimmer aussieht wie ein explodierter Spielzeugladen und das Abendessen angebrannt ist.

Selbstfürsorge im Familienalltag hat oft wenig mit Wellness und viel mit Überleben zu tun – aber genau darin liegt ihre Kraft. Lass uns mal gemeinsam draufschauen, was Selbstfürsorge wirklich bedeutet, wenn Kinder, Partner*innen, To-do-Listen und der eigene Anspruch an uns zerren.

Der Mythos von Me-Time mit Kerzenlicht

Viele Ratgeber werfen mit Bildern von Badewannen, Duftölen und Spaziergängen durch den Wald um sich. Alles schön und gut – wenn man nicht gerade versucht, mit einem Kleinkind an der Hand den nächsten Supermarktgang zu überstehen, während der Große dir seine Matheprobleme erklärt und dein Partner fragt, ob du „kurz“ seine Präsentation gegenlesen kannst.

Ich will gar nicht sagen, dass ein heißes Bad nicht wohltuend sein kann. Aber wenn Selbstfürsorge daran hängt, dass ich erst mal zwei Stunden ungestört sein muss, dann ist sie für viele von uns schlicht nicht alltagstauglich. Selbstfürsorge muss reinpassen in einen Alltag, der oft chaotisch, laut und emotional aufgeladen ist.

Selbstfürsorge ist, wenn du dich nicht vergisst

Für mich hat Selbstfürsorge viel mit innerem Check-in zu tun. So nach dem Motto: „Wie geht’s mir eigentlich gerade – und was brauche ich wirklich?“

Das kann so einfach sein wie:

  • Den Gedanken zuzulassen, dass ich heute nicht alles schaffen werde – und das okay ist.
  • Mir morgens fünf Minuten im Bad zu nehmen, ohne dass jemand reinplatzt (Spoiler: klappt nicht immer).
  • Nein zu sagen, wenn ich merke, dass mein Energielevel schon im roten Bereich ist.

Selbstfürsorge bedeutet für mich nicht, perfekt zu funktionieren – sondern ehrlich zu mir selbst zu sein.

Kleine Fluchten statt großer Ausbrüche

Kennst du das Gefühl, wenn du das hundertste Mal in der Woche „Mamaaaa!“ hörst – und du innerlich schon beim hundertundeins einfach durch die Wand gehen möchtest?

Selbstfürsorge heißt manchmal, diese Wut zu bemerken, bevor sie explodiert. Es heißt, mir zu erlauben, kurz das Zimmer zu verlassen, tief durchzuatmen und nicht direkt mit gleicher Lautstärke zurückzubrüllen. Nicht, weil ich immer die Ruhe selbst bin – sondern weil ich mir selbst diesen Moment zugestehe.

Oft reichen diese kleinen Fluchten: Eine Tasse Kaffee auf dem Balkon. Drei Minuten im Bad mit geschlossener Tür. Oder der ehrliche Satz: „Ich brauch jetzt fünf Minuten.“

Was brauche ich – und wie kann ich das umsetzen?

Der entscheidende Schritt in Richtung Selbstfürsorge ist, die eigenen Bedürfnisse überhaupt wahrzunehmen. Das klingt banal, ist es aber nicht.

Ich hab lange gebraucht, um zu merken, dass ich nicht faul bin, wenn ich mittags zehn Minuten die Augen zumache – sondern erschöpft. Dass ich nicht unsozial bin, wenn ich einen Abend lieber allein verbringe – sondern überreizt.

Der Familienalltag ist voller Reize, Anforderungen und Fremdbestimmungen. Selbstfürsorge bedeutet, sich darin nicht selbst zu verlieren.

Was mir hilft:

  • Eine Liste mit Dingen, die mir wirklich guttun – und die nicht viel Zeit brauchen.
  • Einen festen Platz in der Woche, der nur mir gehört (auch wenn’s nur ein Spaziergang ist).
  • Offen mit meinem Partner zu kommunizieren, wenn ich gerade auf dem Zahnfleisch gehe.

Teamwork makes the Selfcare work

Apropos Partner: Selbstfürsorge funktioniert nicht gut im Alleingang – zumindest nicht auf Dauer.

Ich hab irgendwann gelernt, dass ich nicht warten muss, bis alles „erledigt“ ist, um mich um mich zu kümmern. Spoiler: Das passiert nämlich nie.

Also haben mein Partner und ich uns irgendwann zusammengesetzt und besprochen: Wie schaffen wir Raum für uns beide? Wie können wir uns gegenseitig Pausen ermöglichen? Und wie gehen wir mit dem schlechten Gewissen um, das sich trotzdem manchmal meldet?

Das war kein einmaliges Gespräch, sondern eher ein Prozess. Aber es hat viel verändert. Allein schon, weil wir verstanden haben: Wenn es uns gut geht, geht’s auch den Kindern besser.

Selbstfürsorge ist auch, Hilfe anzunehmen

Dieser Punkt war für mich am schwersten. Ich bin eher der „Ich-schaff-das-schon-selbst“-Typ. Aber irgendwann kam der Moment, in dem ich gemerkt hab: Nein, schaff ich nicht. Oder nur unter großem inneren Stress. Und das zahlt am Ende niemandem aufs Konto ein – am wenigsten mir.

Ob es die Oma ist, die einmal die Woche kocht, die Freundin, die mal die Kids mitnimmt, oder die Nachbarin, die mir spontan Waschmittel leiht: Hilfe anzunehmen hat für mich viel mit Selbstfürsorge zu tun. Und mit dem Mut, zuzugeben, dass man nicht alles allein wuppen kann.

Wenn du dir selbst zuhörst, hörst du auf, dich zu überhören

Manchmal flüstert die Selbstfürsorge nur. Ein kleines Ziehen im Rücken, das sagt: „Leg dich mal kurz hin.“ Ein Seufzer im Kopf, der flüstert: „Du brauchst Ruhe.“ Oder ein plötzlicher Impuls, einfach mal zehn Minuten in die Sonne zu gucken.

Diese Signale wahrzunehmen – und ernst zu nehmen – ist der erste Schritt.

Es geht nicht darum, immer zu tun, worauf man gerade Lust hat. Sondern zu erkennen: Was brauche ich, damit ich mich nicht verliere?

Selbstfürsorge als Vorbild

Ein Gedanke, der mir sehr geholfen hat: Unsere Kinder lernen nicht durch das, was wir ihnen sagen – sondern durch das, was wir vorleben.

Wenn ich möchte, dass meine Kinder gut mit sich umgehen, auf ihre Grenzen hören und wissen, dass sie wichtig sind – dann muss ich ihnen das zeigen. Indem ich auch mal sage: „Ich brauch jetzt Pause.“ Oder: „Ich mach das später, ich ruhe mich gerade aus.“

Klingt banal. Ist aber ein echter Gamechanger.

Und was ist mit dem schlechten Gewissen?

Ach ja, der Klassiker. Kaum gönne ich mir eine halbe Stunde Ruhe, meldet sich die innere Stimme: „Du solltest jetzt eigentlich die Küche aufräumen…“

Ich nenne das mein „Care-Guilt-Monster“. Es ist ziemlich laut, ziemlich hartnäckig und liebt es, mir ein schlechtes Gewissen einzureden, wenn ich einfach nur mal nichts tue.

Aber weißt du was? Ich arbeite daran, es zu ignorieren. Nicht immer erfolgreich, aber immer öfter. Weil ich gemerkt habe: Diese halbe Stunde bringt mir mehr Energie für den Rest des Tages als ein perfekt aufgeräumtes Wohnzimmer.

Selbstfürsorge ist nicht egoistisch. Sie ist überlebenswichtig.

Wir leben in einer Gesellschaft, die Eltern – vor allem Müttern – oft suggeriert: Gib dich auf. Sei immer da. Funktioniere. Mach es allen recht.

Aber genau das ist das Gegenteil von gesunder Selbstfürsorge. Und führt früher oder später in die totale Erschöpfung.

Selbstfürsorge heißt, sich selbst ernst zu nehmen. Die eigenen Grenzen. Die eigene Energie. Die eigenen Wünsche. Und dabei nicht nur zu reagieren, sondern auch zu gestalten: „So will ich Familie leben – und das brauche ich dafür.“

Fazit: Kleine Schritte, große Wirkung

Selbstfürsorge im Familienalltag ist kein großes Projekt. Kein Luxus. Kein Extra. Sie ist Teil des Ganzen. Und oft beginnt sie ganz klein:

  • Mit einem bewussten Atemzug.
  • Mit dem Mut, um Hilfe zu bitten.
  • Mit einem ehrlichen „Nein“.

Wenn wir uns selbst gut behandeln, haben wir auch mehr Kraft, für andere da zu sein. Und vielleicht ist genau das der Kern von echter Fürsorge – für uns und unsere Familie.

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