FamilienlebenErziehungstipps mit HumorWarum Kinder die besten Verhandlungsexperten sind

Warum Kinder die besten Verhandlungsexperten sind

Was wir von unseren Mini-Diplomaten lernen können (ob wir wollen oder nicht)

Wenn du glaubst, du bist ein harter Hund im Job, weil du mit Kundschaft verhandelst, Deadlines jonglierst und Budgets klein zauberst – dann hast du vermutlich keine Kinder. Denn die wahren Verhandlungsprofis tragen Windeln, rufen ständig „nur noch fünf Minuten!“ und haben ein unschlagbares Pokerface, wenn es um Schokolade vor dem Abendessen geht. Und sie haben ein Talent, das selbst gestandene Business-Coaches neidisch machen würde: Sie geben einfach nicht auf.

Ich hätte nie gedacht, dass ich mal an einem Mittwochmorgen in der Garderobe meiner Tochter einer ausgewachsenen Verhandlungssituation gegenüberstehe, nur weil sie statt der Wetterjacke das Prinzessinnenkleid anziehen will. Doch genau da begann meine Erkenntnisreise: Unsere Kinder sind nicht nur unfassbar kreativ, wenn es ums Ausloten von Grenzen geht – sie verhandeln mit einer Beharrlichkeit, von der so mancher Tarifexperte noch lernen könnte. Und ganz ehrlich: Ihre Methoden haben es in sich.

Die Taktik der Wiederholung: „Nur noch eine Folge…“

Wenn Erwachsene ein Ziel verfolgen, versuchen sie es vielleicht zweimal. Kinder? Fünfzehn Mal in zehn Minuten. Und das mit der immergleichen Formulierung, nur leicht variiert. „Nur noch eine Folge.“ „Nur noch diese Folge.“ „Aber die Folge war so kurz!“ – Ich weiß nicht, ob es Strategie oder Sturheit ist, aber ich bewundere diesen Einsatz heimlich. Manchmal kommt sogar ein Flüstern dazu, als wäre das Wort leiser gesprochen weniger schlimm. Oder sie nutzen plötzlich die Sprache des Herzens: „Du bist doch die beste Mama der Welt…“

Während ich also versuche, ein Nein zu formulieren, das standhält, denke ich gleichzeitig: Wie würde ich reagieren, wenn ein Kollege so hartnäckig wäre? Wahrscheinlich mit einem „Na gut, ein Versuch war’s wert.“ Bei meinen Kindern: Ein tiefes Durchatmen und der Versuch, ihnen beizubringen, dass man auch ein Nein akzeptieren muss. Theoretisch. Praktisch werde ich schwach, wenn sie anfangen zu summen und gleichzeitig die Fernbedienung schon mal bereitlegen.

Emotionale Erpressung im Kuschel-Look

Meine Tochter kann ihre Augenbrauen auf eine Art zusammenziehen, dass selbst der abgebrühte Sicherheitsmann im Flughafen ein „Na gut“ murmeln würde. Kinder setzen Emotionen gezielt ein, und ja, das ist beeindruckend. Diese Mischung aus traurigem Blick, einer Hand an der Wange und der klagenden Stimme ist der Goldstandard emotionaler Verhandlungsführung.

Tränchen in den Augen, zitternde Unterlippe, dazu ein leises „Aber Mamaaaa, dann bin ich ganz traurig…“. Zack, da ist das Herz weichgekocht. Und ehrlich? Das funktioniert bei mir genauso wie bei Oma oder dem Kioskbesitzer um die Ecke. Diese Mimik, kombiniert mit dem richtigen Timing, ist ein Werkzeug, das kein Kommunikationstraining besser vermitteln könnte. Und wehe, du sagst dann doch Nein – dann bekommst du den Blick der Enttäuschung, der dir noch Stunden später nachhängt.

Zielgerichtete Argumentation mit Fantasie

Kinder sind Meister darin, ihre Ziele mit einer Logik zu erklären, die oft absurd und gleichzeitig genial ist. „Wenn ich jetzt noch ein Eis bekomme, esse ich später auch Brokkoli. Ganz bestimmt!“ oder „Wenn ich das Kuscheltier mit in die Kita nehme, kann es auf mich aufpassen und du musst dir keine Sorgen machen.“ Klingt nach Quatsch? Ist es auch. Aber eben ein verdammt guter Versuch.

Sie kennen ihr Gegenüber, nutzen emotionale Trigger und bauen Argumentationsketten, bei denen selbst ein geschulter Vertriebler sagen würde: Respekt! Sie ziehen dabei Parallelen aus vorherigen Verhandlungen heran („Letztes Mal hast du auch ja gesagt!“), setzen Zukunftsversprechen ein und packen oft noch ein bisschen Mitleid obendrauf: „Alle anderen dürfen das auch!“ – ein Klassiker.

Der Verhandlungstisch: Familienfrühstück

Jeder Morgen beginnt wie eine Sitzung im UN-Sicherheitsrat. Wer darf zuerst ins Bad? Wie viele Schokoflakes sind vertretbar? Warum ist Zähneputzen überhaupt so wichtig? Und warum genau nochmal darf man nicht barfuß zur Schule gehen, wenn doch Flip-Flops bequem sind?

Mein Sohn verhandelt morgens seine Minuten im Bett wie ein erfahrener Diplomat: „Wenn ich heute drei Minuten länger liegen bleiben darf, bin ich morgen schneller beim Anziehen!“ Die Erfolgsquote? Tja, die liegt bei etwa 50 Prozent. Aber hey, welcher Erwachsener hat eine bessere Bilanz in Gehaltsverhandlungen?

Manchmal wird das Frühstück selbst zur Verhandlung: „Ich esse das Brot mit Käse, wenn ich danach ein kleines Stück Schokolade bekomme.“ Es erinnert ein bisschen an internationale Verträge: viele Bedingungen, alles muss schriftlich festgehalten (also versprochen) werden und wehe, jemand bricht das Abkommen.

Win-win oder Win-für-Kind?

Das große Ziel der kleinen Verhandler ist oft ein klarer Sieg, aber sie verstehen auch das Prinzip des Kompromisses. „Okay, kein zweites Eis, aber dann darf ich heute im Wohnzimmer schlafen.“ Der Clou: Es klingt nach Zugeständnis, ist aber eigentlich ein versteckter Vorteil für sie selbst. Clevere Nummer!

Sie nutzen das Prinzip der Ablenkung: Während du überlegst, ob das Wohnzimmer eine geeignete Schlafstätte ist, vergessen sie selbst das Eis – und du hast das Gefühl, du hast verhandelt. In Wahrheit warst du Spielball in einem sehr cleveren Plan. Und ja, ich falle immer wieder drauf rein.

Humor als Werkzeug

Was ich besonders spannend finde: Kinder nutzen Humor oft ganz bewusst, um Spannungen zu lösen. Sie machen Quatsch, wenn sie merken, dass ein Streit sich anbahnt. Sie sagen lustige Sachen, um dich abzulenken oder milde zu stimmen. „Aber Mama, du bist die schönste Mama der Welt – und schöne Mamas sagen ja!“ (Ich meine – wie soll man da bitte ernst bleiben?)

Auch das ist eine echte Verhandlungstechnik: Beziehungsebene vor Sachebene. Und unsere Kinder? Die haben das einfach drauf. Ich habe schon erlebt, wie mein Sohn mitten im „Jetzt musst du aber ins Bett!“-Drama plötzlich einen Witz über Pupse gemacht hat – und ja, ich habe gelacht. Der Moment war gerettet. Ziel erreicht.

Von ihnen lernen heißt… manchmal nachgeben

Ich hab mir angewöhnt, manchmal bewusst den Verhandlungsspielraum offen zu lassen. Nicht, weil ich „nachgeben“ will, sondern weil ich gemerkt habe: Wenn ich ihnen das Gefühl gebe, ernst genommen zu werden, kommt oft auch ein echtes Entgegenkommen zurück. Und mal ehrlich: Das Leben ist zu kurz für ständige Machtkämpfe.

„Okay, du willst nicht aufräumen? Dann machen wir einen Deal: Du räumst das Lego weg und ich helfe dir beim Puzzle.“ Und siehe da: Es funktioniert. Nicht immer. Aber überraschend oft. Und manchmal muss man eben nicht gewinnen. Manchmal reicht es, gemeinsam zu lachen über einen halbherzig zusammengeräumten Haufen Bausteine.

Mein persönlich schönster Verhandlungs-Moment

Es war ein Samstagnachmittag, ich hatte Kopfschmerzen, das Wohnzimmer sah aus wie ein Schlachtfeld und mein Sohn wollte unbedingt ein Zelt aus allen Sofakissen bauen. Ich war kurz davor, Nein zu sagen. Da kam: „Mama, wenn du dich jetzt fünf Minuten hinlegst, baue ich dir ein Zelt, damit du besser schlafen kannst.“

Und ja, es war das unbequemste Zelt der Welt. Aber mein Herz war weich wie Butter. Ich lag da, halb auf einem Sofapolster, halb auf einem Plastikdino, eingehüllt in Decken, die nach Kakaopulver rochen – und ich habe gelächelt. Weil ich wusste: Er hat mich überzeugt. Mit Herz, Idee und Timing.

Fazit: Kinder sind die besseren Verhandler – Punkt.

Sie verhandeln ohne Scham, mit vollem Einsatz, kreativ, emotional und zielgerichtet. Und sie bringen uns bei, was es heißt, zuzuhören, geduldig zu bleiben und auf Augenhöhe zu kommunizieren. Sie stellen Fragen, die uns herausfordern. Sie akzeptieren kein „Weil ich es sage“. Sie sind unbequem, aber immer mit einem Ziel: das Leben ein bisschen mehr nach ihren Vorstellungen zu gestalten.

Vielleicht müssen wir nicht immer alles mit uns machen lassen. Aber wir könnten uns ruhig eine Scheibe abschneiden. Wer weiß – vielleicht wäre die Welt ein besserer Ort, wenn alle ihre Forderungen mit einem treuen Hundeblick und einem Vorschlag für mehr Kuschelzeit präsentieren würden. Oder mit einer Portion Fantasie, einem liebevollen Trick und einem herzlichen Lachen.

Kommentieren Sie den Artikel

Bitte geben Sie Ihren Kommentar ein!
Bitte geben Sie hier Ihren Namen ein

Top Themen

Die neusten Beiträge

Weitere Artikel