Es gibt diese Tage im Leben eines Vaters, da fühlt man sich stark. Man hebt das Kind mit einem Arm, trägt gleichzeitig einen vollgepackten Rucksack, telefoniert mit dem Büro und hat noch genug Balance, um einen Apfel zu schälen. Multitasking-Level: Superheld. Und dann gibt es diese anderen Tage. Die, an denen man denkt: „Warum eigentlich ich?“ Der Abend, an dem ich mit meiner Tochter eine Laterne basteln wollte – der gehört ganz klar in diese zweite Kategorie.
Und ehrlich gesagt: Ich hatte mir das romantischer vorgestellt. Gemeinsam kreativ sein. Lachen. Kleber auf Papier – nicht auf Haut. Ein Projekt, das zusammenschweißt. Es wurde dann eher ein Überlebenstraining mit Bastelutensilien. Und einer Fünfjährigen mit klaren Vorstellungen und null Toleranz gegenüber handwerklicher Inkompetenz.
Vorbereitung ist alles. Oder auch nichts.
Ich wollte vorbereitet sein. Ehrlich. Ich habe mir sogar Mühe gegeben. Ich googelte „Laterne basteln einfach“ und landete auf DIY-Blogs, die aussahen wie aus dem Bastel-Himmel. Perfekt gefaltete Sterne, schimmernde Papp-Einhörner mit echten (!) Lichtakzenten. Ich dachte kurz, ich hätte aus Versehen die Webseite eines Designstudiengangs aufgerufen. Aber ich ließ mich nicht abschrecken. Ich schrieb eine Einkaufsliste: Transparentpapier, Klebestift, Schere mit Zickzackmuster, goldener Glitzer, Basteldraht, Filz in Pastellfarben, Holzspieße, Washi-Tape, doppelseitiges Klebeband und Sicherheitsaugen zum Aufkleben. Das Übliche eben.
Am Bastelabend selbst stand ich dann mit einer Tüte voller Material in der Kita. Und ich war stolz. Bis ich die anderen Eltern sah. Mütter mit Rollkoffern voller Material. Väter mit Werkzeugtaschen. Eine Mutter baute sogar einen mobilen Bastelplatz mit Schneidmatte und LED-Arbeitslampe auf. Neben mir bastelte ein Vater bereits seine dritte Laterne. Mit Fensterläden. Und kleinen LED-Lichtern, die auf Bewegung reagierten. Ich schwitzte. Und das war erst der Anfang.
Der Plan: Es gibt keinen Plan
Meine Tochter hatte klare Vorstellungen. Klare, kompromisslose Vorstellungen: Es sollte ein Einhorn werden. Mit Regenbogenmähne. Glitzerflügeln. Herzchenaugen. Ich hatte mir ein schlichtes Haus vorgestellt. Vielleicht mit einem kleinen Fenster. Eventuell ein Mond drauf. Irgendwas, das man als Laie auch hinkriegt, ohne YouTube-Tutorials in vier Sprachen.
Wir einigten uns – oder sagen wir: Ich kapitulierte. Runde Laterne, Ohren dran, Glitzer drauf. Ich tunkte den Pinsel in Kleber, sie streute Glitzer. Ich schnitt Kreise aus, sie schnitt sie mit viel Enthusiasmus in zwei. Ich versuchte, die Ohren mit Basteldraht zu fixieren – was ungefähr so gut funktionierte wie Spaghetti als Bauholz zu nutzen. Mein Sohn (zwei Jahre alt) saß währenddessen in der Ecke, knabberte auf einem Pappstern und summte „Laterne, Laterne“.
Das Transparentpapier wellte sich schon nach der ersten Berührung. Der Klebestift war irgendwie leer, obwohl ich ihn gerade erst gekauft hatte. Tesafilm war unsere letzte Rettung – zumindest dachten wir das, bis er sich wie ein widerspenstiges Wesen gegen das Abrollen wehrte und sich lieber selbst verklebte.
Ich hatte Glitzer an den Augenbrauen, Kleber an der Jeans, Basteldraht in der Socke – und einen Nervenzusammenbruch auf Halbmast.
Von Glanz, Glimmer und aufsteigender Verzweiflung
Die Glitzerphase war der Tiefpunkt. Ich wusste nicht, dass Glitzer sich wie eine Pandemie verhält – unsichtbar und überall. Einmal in der Welt, nie wieder ganz loszuwerden. Wir streuten vorsichtig, dann großzügig, dann einfach nur noch resigniert. Alles glitzerte. Die Laterne. Der Tisch. Mein Handy. Der Teppich. Ich.
Und als ich gerade versuchte, mit einer Nagelschere die zu groß geratenen Einhorn-Ohren zu retten, sagte meine Tochter: „Papa, das sieht irgendwie komisch aus.“ Das „komisch“ war eine freundliche Umschreibung. Das Ohr war schief, das Gesicht verzogen und der Schweif – sagen wir, er war ein Versuch.
Ich murmelte „Gleich“ mindestens 28 Mal. Ich sagte „Pass bitte auf!“ 15 Mal. Ich sagte „Nein, der Kleber gehört nicht in die Haare!“ ungefähr fünf Mal – vergeblich. Ich verlor langsam die Geduld. Meine Tochter auch. Sie wollte plötzlich lieber was anderes basteln. Einen Drachen vielleicht. Oder eine Katze. Oder „so ein Teil wie Lea hat“.
Der Wendepunkt – mitten im Chaos
Ich stand kurz davor, alles hinzuwerfen. Wirklich. Ich überlegte, ob ich mich einfach krankmelde fürs Laternenfest. Aber dann schaute mich meine Tochter an. Sie hatte Kleber auf der Nase, Glitzer auf den Wimpern – und diesen Blick. Diesen Kinderblick, der gleichzeitig fordernd, liebevoll und unglaublich ernst ist. Und dann sagte sie: „Papa, ich find’s trotzdem schön.“
In dem Moment wusste ich: Es ist egal, wie die Laterne aussieht. Sie wird nicht in einer Bastelgalerie landen. Kein Bastelpreis winkt. Aber sie ist unser Ding. Unser gemeinsames Chaos, unser Stolz.
Also falteten wir weiter. Ich schnitt die Ohren neu, sie bastelte einen Regenbogen-Schnurrbart. Wir befestigten alles mit der gefühlt letzten intakten Tesafilmrolle. Ich zeichnete Herzchen, sie klebte sie auf den Bauch des Einhorns. Am Ende war es kein Einhorn. Es war ein rundes Fantasiewesen mit Ohren und Flügeln und einem Gesicht, das aussah wie nach einem Kindergeburtstag mit zu viel Zucker. Und genau deshalb war es perfekt.
Auf dem Weg nach Hause – stolz trotz allem
Als wir später mit unserer Laterne nach Hause liefen, zogen wir Blicke auf uns. Sie war auffällig. Nicht schön im klassischen Sinn. Aber auffällig. Meine Tochter trug sie wie eine Trophäe. Ich trug ihre Tasche, meine Würde – und einen Hauch Glitzer auf der Stirn.
„Papa, ich freu mich schon aufs Singen!“, sagte sie. Ich auch. Vielleicht nicht auf den Gesang, aber auf den Moment. Wenn sie mit leuchtenden Augen im Dunkeln steht, ihre Laterne hochhält und ruft: „Das ist meine!“ Dann weiß ich, dass sich jeder Klebefleck gelohnt hat.
Fazit: Wenn Basteln zum Vater-Kind-Abenteuer wird
Ich hatte mich gequält. Ich war genervt. Ich wollte aufgeben. Aber ich habe es nicht getan. Weil Laternenbasteln eben mehr ist als Basteln. Es ist Zuhören. Mitmachen. Durchhalten. Gemeinsam lachen. Und manchmal fluchen.
Es ist einer dieser kleinen Alltagsmomente, die größer sind, als man denkt. Weil sie bleiben. In Kinderköpfen. In Papaherzen. Und in den kleinen Glitzerresten, die man Wochen später noch im Teppich findet – und sich dann wieder erinnert, wie aus Chaos ein ganz besonderer Moment wurde.