Gesundheit & Mental LoadMental Load fair aufteilenWas Mental Load wirklich bedeutet – und warum er uns auslaugt

Was Mental Load wirklich bedeutet – und warum er uns auslaugt

Wenn der Kopf nie Feierabend macht: Warum Mental Load mehr ist als nur "ans Einkaufen denken"

Kennst du dieses Gefühl, wenn du abends ins Bett fällst und der Körper eigentlich platt ist – aber der Kopf? Der rotiert weiter, dreht Pirouetten zwischen Brotdose, Elternabend, Kindergeburtstag, Impftermin und dem Satz „Denk bitte dran, dass morgen der Turnbeutel mitmuss“. Willkommen in der Welt des Mental Load – der unsichtbaren Denkarbeit, die so viele von uns Eltern täglich wuppen, ohne dass es jemand groß bemerkt. Oder würdigt.

Was genau ist eigentlich Mental Load?

Mental Load ist dieser Dauerlauf im Kopf, den vor allem viele Mütter (aber auch immer mehr Väter) kennen: das ständige Denken an alles, was organisiert, geplant, erinnert oder koordiniert werden muss, damit der Familienalltag funktioniert. Es geht nicht nur ums „Tun“ – also nicht nur darum, den Turnbeutel zu packen, sondern auch daran zu denken, dass er gepackt werden muss. Und das jeden Mittwoch. Und dass der nächste Elternsprechtag ansteht. Und dass man noch ein Geschenk für den Kindergeburtstag besorgen muss. Und, und, und.

Warum wir ihn nicht sehen – aber deutlich spüren

Das Heimtückische an Mental Load: Er ist unsichtbar. Keiner sieht, wie viele Tabs im Kopf gleichzeitig geöffnet sind. Dass du innerlich schon beim Wochenendeinkauf bist, während du versuchst, ein halbwegs entspanntes Abendessen mit der Familie zu führen. Dass du To-do-Listen im Kopf jonglierst, während du mit einem Ohr die Mathehausaufgaben betreust und mit dem anderen das Babyphone im Blick hast.

Der mentale Rucksack ist nicht sichtbar – aber schwer. Und er drückt. Jeden Tag ein bisschen mehr.

Wie sich Mental Load im Alltag zeigt – ein Blick hinter die Kulissen

Ich erinnere mich noch gut an einen Dienstagmorgen. Mein Mann stand entspannt mit seinem Kaffee am Fenster. Ich hatte in der anderen Hand ein Marmeladenbrot, in der linken die Trinkflasche fürs Kind, während ich mit dem Ellenbogen versuchte, den Turnbeutel vom Haken zu angeln. „Ist heute Turnen?“, fragte er. Ich schwieg. Weil ich innerlich schrie.

Nicht, weil er’s böse meinte. Sondern weil allein diese Frage zeigt: Der Überblick – der liegt bei mir. Und das nicht zum ersten Mal.

Warum Mental Load uns auf Dauer auslaugt

Weil es kein Ende gibt. Kein Feierabend, kein „ab jetzt kümmert sich jemand anders drum“. Mental Load ist nicht planbar, nicht delegierbar wie ein Wäschekorb oder der Müll. Er schleicht sich in jede freie Minute, raubt uns geistige Pausen und klaut uns genau das, was wir Eltern so dringend bräuchten: echte Regeneration.

Stattdessen laufen wir im Kopf im Dauer-Checklisten-Modus. Und wundern uns, warum wir so erschöpft sind – obwohl wir „doch gar nicht so viel gemacht haben“. (Spoiler: Haben wir. Nur eben im Kopf.)

Typische Szenen, die jede*r kennt – oder kennen sollte

  • Du liegst nachts wach und überlegst, ob du den Zettel für den Schulausflug unterschrieben hast. Oder ob das Kind morgen Wechselwäsche braucht.
  • Du hast endlich einen Abend für dich, aber dein Kopf denkt an die Zahnarzttermine, Impfhefte und den nächsten Kita-Plan.
  • Du willst einfach nur die Einkaufsliste schreiben, aber dir fällt ein, dass du noch die Kita-Fotos bestellen musst. Und plötzlich hast du drei Tabs auf, zwei offene Apps – aber keine Einkaufsliste.

Mental Load ist nicht das Problem – sondern die Schieflage dabei

Denn die Frage ist nicht, ob diese Aufgaben erledigt werden müssen. Natürlich müssen sie das. Die Frage ist: Wer übernimmt den Überblick? Wer trägt die Verantwortung im Kopf? Wer ist die „Projektleitung Familie“? Wenn das immer nur einer macht – und der andere „hilft nur mit“ – dann ist das keine faire Aufteilung, sondern ein Ungleichgewicht.

Und genau das brennt uns aus. Nicht, dass wir viel tun. Sondern dass wir ständig daran denken müssen. Dass wir für alles verantwortlich sind – sogar fürs Drandenken.

Warum klassische Rollenbilder uns hier oft in die Quere kommen

Viele von uns sind in Haushalten aufgewachsen, in denen Mama eben „alles geregelt hat“. Ohne großes Drama, einfach so. Sie wusste, wann das Altpapier raus muss, wann die Geburtstagskarte an die Oma geschrieben wird, wann die nächste Zahnvorsorge ansteht.

Diese Prägung wirkt. Auch wenn wir heute gleichberechtigt leben wollen, schlüpfen viele von uns (oft unbewusst!) wieder in diese Projektmanager:innen-Rolle. Und der Partner? „Sag einfach, wenn ich was tun soll.“ Nett gemeint, aber: Wir wollen keinen Mitarbeiter. Wir wollen einen gleichberechtigten Co-Manager.

Was hilft: Sichtbar machen, was unsichtbar ist

Der erste Schritt ist ehrlich gesagt ziemlich unbequem: Wir müssen anfangen, aufzuschreiben, was da im Kopf alles passiert. Nicht, um zu jammern – sondern um sichtbar zu machen, was wirklich alles bei uns liegt.

Ein Beispiel: Statt einfach zu sagen „Ich habe so viel zu tun“, schreib’s mal auf. Die Listen sind oft erschreckend lang. Und sie zeigen schwarz auf weiß: Das ist kein „Ich-stell-mich-an“. Das ist ein echter Overload.

Kommunikation statt Konfrontation

Sich fair aufzuteilen heißt nicht: Jeder macht exakt 50 Prozent der Aufgaben. Sondern: Beide übernehmen Verantwortung. Auch fürs Mitdenken. Das bedeutet, gemeinsam zu klären:

  • Wer übernimmt welche Bereiche komplett – inklusive Planung, Erinnerung und Durchführung?
  • Was kann automatisiert oder vereinfacht werden (Kita-Brotbox-Wochenplan, feste Termine etc.)?
  • Wann gibt es Check-ins, um Aufgaben neu zu verteilen, wenn’s irgendwo klemmt?

Das braucht keine Management-Meetings mit Flipchart. Aber einen offenen Umgang – und die Bereitschaft, zuzuhören, ohne in Rechtfertigungen zu verfallen.

Was sich bei uns verändert hat – ein Erfahrungsbericht

Ich hab irgendwann mal einen Test gemacht: Drei Tage lang alles, was ich „mitdenke“, notiert. Vom „Windeln nachkaufen“ bis „Welche Regenjacke passt noch fürs nächste Kind?“. Es war viel. Zu viel.

Mein Mann hat sich das durchgelesen. Und gesagt: „Ich hatte keine Ahnung.“ Das war der Anfang. Heute haben wir feste Verantwortungsbereiche. Ich mache weiter das Kita-Management, er hat das komplette Thema „Kleidung und Größen“ übernommen. Überraschung: Es funktioniert. Nicht perfekt. Aber besser. Weil wir beide den Hut aufhaben – jeweils für unsere Bereiche.

Mental Load teilen – heißt Verantwortung teilen

Wenn du das Gefühl hast, alles allein im Kopf zu jonglieren: Du bist nicht allein. Und du bist nicht überempfindlich. Es ist okay, müde zu sein. Es ist okay, sich überfordert zu fühlen. Und es ist okay, das auszusprechen.

Was zählt: Dass wir anfangen, darüber zu reden. Zu zeigen, was da alles läuft im Kopf. Und dass wir es schaffen, nicht alles selbst zu tragen – sondern fair zu verteilen. Schritt für Schritt.

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