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Weiterbildung in der Elternzeit: Unsere Erfahrungen

Zwischen Windelbergen, Onlinekursen und der Frage, wann man eigentlich wieder das letzte Mal ausgeschlafen hat.

Bevor ich selbst in der Elternzeit steckte, dachte ich: „Klar, da hat man ja Zeit, wenn das Baby schläft. Da kann man doch locker ein bisschen Weiterbildung machen.“ Spoiler: Nein. Also, nicht einfach so. Aber – und das ist das große Aber – es geht. Nicht locker, nicht entspannt, aber es geht. Und manchmal macht es sogar Spaß.

Wir haben es ausprobiert. Und ja, wir, denn mein Partner und ich haben uns in der Elternzeit beide weitergebildet. Unterschiedlich, chaotisch, mit Unterbrechungen, Diskussionen und so mancher Nachtschicht. Aber mit dem Ergebnis: Wir haben was gelernt. Über Fachthemen, über uns selbst, über Prioritäten – und vor allem darüber, was wirklich möglich ist, wenn man sich nicht verrückt macht.

Warum überhaupt Weiterbildung in der Elternzeit?

Ganz ehrlich: Anfangs ging’s gar nicht um Karriere oder Aufstieg. Es ging um geistige Rettung. Nach dem zehnten Tag in Folge mit dem immer gleichen Rhythmus – Fläschchen, Windel, Spielbogen, Wäsche – kam der Moment, in dem ich dachte: Ich muss mal wieder etwas tun, das mein Hirn kitzelt.

 

Natürlich war da auch der Gedanke: Irgendwann geht’s zurück in den Job. Und vielleicht habe ich dann neue Chancen, wenn ich mir jetzt ein bisschen Wissen aneigne. Aber vorrangig war es der Wunsch nach etwas Eigenem. Etwas, das nichts mit Spucktüchern oder Einschlafstillen zu tun hat. Etwas, das mich wieder mit mir selbst verbindet.

In Gesprächen mit anderen Eltern wurde schnell klar: Ich bin nicht allein mit diesem Gefühl. Viele hatten den Wunsch, sich weiterzuentwickeln, den eigenen Horizont zu erweitern – einfach wieder etwas anderes zu lernen als „Welche Zahnungshilfe wirkt am besten?“

Der Start: Zwischen Babyphon und YouTube-Tutorial

Ich habe klein angefangen. Mit einem kostenlosen Onlinekurs zum Thema Social Media Marketing. Abends, wenn das Kind schlief. Was anfangs nach einem klaren Plan klang, wurde schnell zur Geduldsprobe. Kind zahnt? Kurs pausiert. Stillstreik? Kein Konzentrationslevel. Internet-Ausfall? Na toll.

Aber ich blieb dran. Immer wieder. Manchmal nur 20 Minuten am Stück. Aber es summierte sich. Und irgendwann hatte ich das erste Zertifikat. Kein Nobelpreis, aber hey – mein Name stand drauf. Und das fühlte sich verdammt gut an. Plötzlich hatte ich wieder das Gefühl, auch unabhängig vom Elternsein zu existieren.

Mein Partner hat sich in Excel eingearbeitet. Sein Ziel: Weniger Panik vor Pivot-Tabellen. Und das Beste? Er hat’s tatsächlich geschafft, sich sonntags mit Kaffee und Kopfhörern in Themen reinzufuchsen, während unser Kind mit Bauklötzen spielte. Nicht jeden Sonntag. Aber oft genug. Und er erzählte mir abends begeistert von seinen „neuen Erkenntnissen“ – als hätte er ein neues Hobby entdeckt.

Irgendwann begannen wir sogar, voneinander zu lernen. Er erklärte mir Formeln, ich zeigte ihm Content-Tricks. Unsere Abendgespräche drehten sich nicht nur um Windelinhalte und Schlafgewohnheiten, sondern auch um Hashtags und Diagramme. Eine ganz neue Art von Paarzeit.

Was wir gelernt haben – fachlich und menschlich

Fachlich? Eine Menge. Ich habe inzwischen einen tieferen Einblick in digitales Marketing, Content-Planung und SEO. Mein Partner kann endlich nachvollziehen, was ein SVERWEIS ist und nutzt Excel inzwischen fast so selbstverständlich wie seinen Lieblingskaffeebecher.

Aber noch viel wichtiger: Wir haben gelernt, dass Lernen nicht bedeutet, still am Schreibtisch zu sitzen. Sondern dass man auch zwischen zwei Wickeldurchgängen eine Idee aufschnappen, ein Erklärvideo anschauen oder sich eine Podcast-Folge beim Spaziergang reinziehen kann. Es geht nicht um Quantität, sondern um Kontinuität.

Und: Wir haben gelernt, dass man als Elternteam funktionieren muss. Denn Weiterbildung braucht Zeit. Und die kriegt man nur, wenn der andere mitzieht. Also haben wir uns Zeiten freigeschaufelt. Einer übernimmt das Kind, der andere darf lernen. Und umgekehrt. Und auch wenn es nicht immer harmonisch war – es hat funktioniert.

Was wir ebenfalls mitgenommen haben: Geduld. Mit uns selbst. Mit dem Lernprozess. Mit der Tatsache, dass man sich manchmal einfach nicht konzentrieren kann, weil das Kind plötzlich einen Wutanfall bekommt oder einfach nicht schlafen will. Wir haben gelernt, diese Momente anzunehmen, anstatt uns darüber zu ärgern.

Was nicht funktioniert hat

Spoiler: Ganz viel.

  • „Ich mach das morgens, wenn das Baby schläft“ – hat selten geklappt, weil das Baby natürlich genau dann nicht schlafen wollte.
  • „Ich lerne einfach, wenn ich stille“ – klingt nett, ist aber in der Realität entweder unbequem oder führt dazu, dass man nach zwei Minuten selbst einnickt.
  • „Wir machen das beide gleichzeitig“ – funktioniert nur, wenn man eine Nanny oder eine Oma mit Superkräften im Haus hat.

Dazu kamen die klassischen Stolpersteine: Zu viele Kurse gleichzeitig starten. Sich mit anderen vergleichen. Sich selbst zu viel Druck machen. Und natürlich: Prokrastination deluxe. Denn die Versuchung, abends doch lieber Netflix zu schauen, ist echt groß.

Was also funktioniert hat? Ehrlich sein. Flexibel bleiben. Erwartungen runterschrauben. Und: sich nicht vergleichen mit all den scheinbar perfekten LinkedIn-Menschen, die neben dem Kind noch drei Fortbildungen und ein Fernstudium rocken. Vielleicht machen sie das. Vielleicht aber auch nicht.

Tipps aus dem echten Leben

  1. Microlearning ist Gold wert. Kurze Lerneinheiten, Podcasts, 5-Minuten-Videos – alles, was sich in den Alltag schmuggeln lässt.
  2. Flexible Formate wählen. Alles, was live und zwingend um 19 Uhr stattfindet, ist gefährlich. Lieber Selbstlernkurse oder Formate mit Aufzeichnungen.
  3. Sich belohnen. Jedes abgeschlossene Modul wurde bei uns gefeiert – mit Eis, Serienabend oder einfach einem stolzen Selfie.
  4. Nicht übertreiben. Man muss nicht alles gleichzeitig machen. Ein Kurs reicht. Wirklich.
  5. Lernbuddy suchen. Gemeinsam mit einer Freundin oder dem Partner zu lernen, motiviert – und sorgt für einen kleinen sozialen Boost.
  6. Fehlertage einplanen. Es wird Tage geben, da klappt gar nichts. Die gehören dazu – einfach weitermachen.

Was wir heute anders machen würden

Wir würden noch früher darüber sprechen, wer wann Zeit hat. Weniger spontan, mehr geplant. Und wir würden uns nicht mehr so sehr stressen lassen, wenn mal eine Woche lang gar nichts geht. Lernen darf sich auch mal vertagen. Elternzeit ist kein Sprint.

Außerdem würden wir uns trauen, auch mal Geld in die Hand zu nehmen. Denn viele gute Weiterbildungen kosten zwar etwas – sparen aber Nerven, weil sie besser strukturiert, durchdachter und realitätsnäher sind als so mancher Gratis-Content. Und manchmal reicht ein gutes Buch, das man in Etappen liest, um den Kopf wieder in Schwung zu bringen.

Auch wichtig: Mehr Erfolge dokumentieren. Rückblickend merken wir, wie viel wir geschafft haben – aber im Alltag fühlte es sich oft nach „zu wenig“ an. Heute führen wir kleine Erfolgstagebücher. Nur ein Satz am Abend – aber der macht einen großen Unterschied.

Unser Fazit: Weiterbildung in der Elternzeit ist kein Selbstläufer – aber machbar

Wir würden es wieder tun. Nicht weil es leicht war, sondern weil es sich gelohnt hat. Fürs Selbstwertgefühl, für den Lebenslauf, für unser Gesprächslevel beim Abendessen. Für das gute Gefühl, sich selbst nicht aus den Augen zu verlieren.

 

Und weil es zeigt: Elternzeit ist nicht Stillstand. Es ist eine Phase, in der viel passiert. Auch im Kopf. Und wenn man es schafft, zwischen all dem Alltagschaos einen kleinen Raum für sich selbst zu schaffen – dann ist das schon Weiterbildung genug.

Vielleicht ist Weiterbildung in dieser Zeit sogar eine der ehrlichsten Formen des Lernens. Ohne Hochglanz, ohne perfekte Bedingungen, dafür mit echtem Leben drumherum. Und genau deshalb ist sie so wertvoll.

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