Ich geb’s zu: Als der letzte Arbeitstag vor der Elternzeit anstand, war ich nervös. So richtig. Nicht wegen des Babys – okay, vielleicht ein bisschen – sondern weil ich wusste, dass jetzt etwas beginnt, was wir als Familie noch nie hatten: Zeit. So richtig viel davon. Kein hektisches Abhetzen morgens, kein Terminkalender voller Meetings, keine „Kommst-du-heute-später-heim?“-Fragen. Einfach nur wir drei. Zuhause. Oder auch unterwegs. Hauptsache zusammen.
Was dann passierte? War alles – außer langweilig. Und das Beste daran: Wir mussten nichts Großes planen, um diese Zeit als etwas Großes zu erleben.
Der Plan war: kein Plan
Bevor unser Baby kam, hatten wir einen groben Elternzeit-Plan. Zwei Monate wollten mein Partner und ich gemeinsam nehmen, danach sollte ich noch eine Weile dranhängen. Wir wollten nicht reisen, nicht umbauen, nicht gleich ein großes Projekt starten. Sondern erstmal in unserem neuen Leben ankommen.
Klingt nach wenig Spektakel? War’s auch – und genau das war das Beste daran. Diese Zeit war wie ein ganz langes Wochenende. Nur eben mit Windeln, Stillpausen und einem Baby, das nachts alle paar Stunden Hunger hatte. Aber dafür kein Wecker morgens. Kein Chef. Kein Alltagstrott. Stattdessen: Windelwechsel mit verschlafenem Lächeln und das erste Gähnen im Tageslicht.
Wir haben bewusst gesagt: Wir machen das einfach auf unsere Art. Kein Druck, kein Plan. Nur der Wunsch, gemeinsam zu starten. Und das war für uns die richtige Entscheidung.
Unsere Tage hatten plötzlich ein ganz anderes Tempo
Statt mit dem Klingeln des Weckers zu starten, wurden wir vom Baby geweckt. Manchmal lachend, manchmal schreiend – je nach Stimmung. Aber hey, es war immerhin unser eigener kleiner Chef im Strampler, und der war wenigstens süß.
Wir haben gelernt, langsamer zu leben. Frühstücken mit einer Hand (Baby auf dem Arm), Spaziergänge im Schneckentempo (Baby schläft im Wagen), Serien gucken am Vormittag (weil der Nachmittag garantiert wieder durchwachsen wird).
Diese Entschleunigung war am Anfang komisch. Fast so, als hätte jemand auf Pause gedrückt. Aber nach ein paar Tagen merkten wir: Diese Pause tut uns richtig gut. Es war, als würden wir plötzlich wieder selbst bestimmen, wie schnell oder langsam unser Tag laufen darf. Und das ist ein Luxus, den wir vorher gar nicht kannten.
Wir entdeckten die kleinen Dinge neu: Den Geruch von frischem Kaffee am späten Vormittag. Den Klang von Babyglucksen beim Wickeln. Und die endlosen Minuten, in denen wir dem Kleinen einfach beim Schlafen zusahen. Wer braucht da schon Action?
Gemeinsam wachsen – auch als Paar
Wenn man plötzlich 24/7 zusammenhängt, kommen nicht nur romantische Spaziergänge bei Sonnenuntergang. Sondern auch Diskussionen über den richtigen Windelverschluss, die Temperatur des Babybads oder wer heute Nacht die dritte Runde übernimmt.
Klar, es gab Momente, da waren wir genervt. Übermüdet. Genervt UND übermüdet. Aber wir haben auch gelernt, besser zu kommunizieren. Geduldiger zu sein. Und uns wieder neu als Paar zu entdecken – in dieser ganz neuen Rolle als Mama und Papa.
Eine unserer schönsten Routinen: Jeden Abend, wenn das Baby endlich schlief (also theoretisch), saßen wir auf dem Sofa, tranken Tee und redeten. Über unseren Tag, über kleine Fortschritte („Heute hat er das erste Mal richtig laut gegluckst!“) und manchmal auch einfach über nichts. Diese Gespräche waren wie kleine Anker – und haben uns durch die wilden Tage getragen.
Und wir haben auch wieder gelacht. Nicht immer über das Baby. Manchmal auch über uns. Über unsere völlig überforderten Gesichter, wenn das Baby mal wieder im Strahl gespuckt hat. Über schiefe Gute-Nacht-Lieder. Über peinliche Windel-Fails. Dieses gemeinsame Lachen hat uns verbunden.
Die große Freiheit der kleinen Dinge
Ich erinnere mich an einen Dienstagmorgen, an dem wir alle im Schlafanzug blieben. Bis nachmittags. Keiner hatte Termine. Keine Eile. Wir frühstückten ewig, spielten mit dem Baby auf der Krabbeldecke, telefonierten mit den Großeltern. Und ich dachte nur: Wann im Leben hat man sowas nochmal?
Elternzeit bedeutete für uns auch: Einfach mal treiben lassen. In den Tag hineinleben. Ohne To-do-Liste. Manchmal sind wir einfach los – mit dem Kinderwagen zur Eisdiele, obwohl es regnete. Oder wir haben im Wohnzimmer gepicknickt. All das wäre im Alltagstrott untergegangen. In der Elternzeit war es plötzlich möglich. Und wunderschön.
Wir haben den Balkon bepflanzt, mit Baby auf dem Arm. Wir haben zusammen gekocht – meist chaotisch, aber mit viel Lachen. Wir haben unser Wohnzimmer mit Kissenburgen gefüllt. Und am Ende waren es genau diese kleinen Dinge, die uns den größten Zauber gebracht haben.
Kleine Auszeiten – große Wirkung
Auch wenn wir viel Zeit zu dritt hatten, war es uns wichtig, dass jeder mal für sich sein durfte. Mein Partner ging zum Joggen, ich habe mir ein paar Stunden mit meiner besten Freundin im Café gegönnt. Dieses bewusste „Ich darf auch mal nur ich sein“ hat viel Entspannung reingebracht.
Denn so schön das Familienleben auch ist – man darf nicht vergessen, dass Eltern auch Menschen sind. Mit Bedürfnissen. Und manchmal bedeutet das: eine halbe Stunde Badewanne mit geschlossener Tür. Himmlisch.
Diese Auszeiten haben uns geerdet. Wir konnten auftanken, wieder klar denken – und mit frischem Kopf zurückkommen. Und ehrlich? Danach waren die Windelwechsel nur noch halb so schlimm. (Okay, fast.)
Freunde & Familie einbinden – oder auch nicht
Am Anfang dachten wir: Klar, jeder will das Baby sehen! Und ja, das stimmte auch. Aber nach zwei Wochen Dauerbesuch fühlte sich unsere Wohnung eher wie ein Bahnhof an.
Wir haben dann entschieden: Besuch ja – aber dosiert. Und nur, wenn’s uns gerade reinpasst. Die Elternzeit sollte schließlich uns gehören. Und so sehr wir Oma, Opa & Co. lieben – wir brauchten auch unsere Ruhe.
Das hat übrigens keiner übel genommen. Im Gegenteil. Viele waren dankbar für klare Absprachen. Und für die paar Stunden mit dem Baby dann umso mehr begeistert.
Manche Freundschaften wurden in dieser Zeit sogar intensiver. Weil wir endlich mal Zeit hatten, wirklich zuzuhören. Nicht nur zwischen Tür und Angel, sondern bei einem Kaffee, während das Baby auf dem Schoß gluckste. Das war schön. Und wertvoll.
Unsere Top-Learnings aus der Elternzeit
Nach den ersten Monaten (und einigen Koffeinkicks) haben wir für uns ein paar Dinge festgehalten:
- Routine hilft – aber sie muss flexibel bleiben. Ein grober Tagesablauf gibt Struktur, aber Babys halten sich selten daran.
- Zeit zu dritt ist Gold wert. Diese Nähe stärkt die Bindung – nicht nur zum Kind, sondern auch als Paar.
Außerdem:
- Nimm Hilfe an. Du musst nicht alles alleine schaffen.
- Perfektion ist völlig überbewertet. Wirklich.
Und: Niemand macht alles „richtig“. Elternzeit ist kein Wettbewerb. Sondern ein Geschenk. Mal mit Schleifchen, mal mit Spucktuch. Und manchmal beidem gleichzeitig.
Was bleibt? Dankbarkeit – und Sehnsucht
Jetzt, wo der Arbeitsalltag wieder da ist, merke ich erst, wie besonders diese Zeit war. Kein Urlaub, kein Wochenende, kein Feiertag kommt da ran. Diese intensive Nähe, dieses gemeinsame Wachsen – das war einmalig.
Und ja, manchmal wünsche ich mir genau diese Pause zurück. Das Schlafanzug-Frühstück. Das stundenlange Gucken auf ein glucksendes Baby. Die Spaziergänge ohne Ziel. Die kleinen Rituale, die uns durch die Tage getragen haben.
Elternzeit war für uns nicht perfekt. Aber sie war genau richtig. Für uns. Für unser Kind. Und für uns als Paar. Sie hat uns geerdet. Uns neu verbunden. Und uns gezeigt, worauf es wirklich ankommt.
Und wenn du gerade noch überlegst, wie du deine Elternzeit nutzen willst – lass dir eins sagen: Es muss nicht Instagram-perfekt sein. Es muss nur zu euch passen. Dann wird’s richtig gut.