Bevor ich dir erzähle, wie mein erster Arbeitstag nach zwei Jahren Elternzeit aussah, muss ich kurz ein paar Wochen zurückspulen. Denn der Moment, in dem ich realisierte, dass es wirklich losgeht, war keiner mit Kalender und Planer in der Hand, sondern ein ganz banaler Dienstagmorgen.
Der erste Kaffee nach zwei Jahren Stilltee
Es war ein Dienstagmorgen. Ich saß im Schlafanzug auf dem Wohnzimmerteppich, Lego unter den Knien, kalter Kaffee auf dem Couchtisch, und fragte mich, wann ich das letzte Mal etwas anderes gedacht hatte als: „Wo ist die Windelcreme?“ Zwei Jahre Elternzeit lagen hinter mir – zwei Jahre voller Stillmomente, Schlafentzug, Windelwechsel und Herzexplosionen. Aber eben auch zwei Jahre ohne Teammeetings, Excel-Tabellen und Gespräche über etwas anderes als Beikostpläne. Ich hatte vergessen, wie sich ein durchstrukturierter Arbeitstag anfühlt, und gleichzeitig gelernt, wie man einen Tag voller Chaos irgendwie doch überlebt.
Jetzt also der „Wiedereinstieg“. Allein das Wort klang wie ein Hochsprung mit Milchstau. Und trotzdem: Ich wollte wieder arbeiten. Ich musste sogar. Nicht nur wegen des Kontostands. Sondern weil ich wieder ich sein wollte – oder zumindest rausfinden, wer dieses „Ich“ jetzt eigentlich war, mit Kind an der Hand und Alltagschaos im Nacken.
Und da war auch ein kleiner, fast schon neugieriger Teil in mir, der wissen wollte: Schaffe ich das noch? Habe ich all das, was ich vor der Elternzeit konnte, wirklich verlernt? Oder steckt da irgendwo unter den Windelbergen und Spielzeugautos noch immer die kompetente, selbstbewusste Berufsfrau von früher?
Job, Kind, Kopfchaos: Wo fängt man eigentlich an?
Der Einstieg war holprig. Ich hatte keine Ahnung, wo ich anfangen sollte. Mein Arbeitgeber hatte mir zwar theoretisch einen Platz freigehalten, aber mein alter Job passte ungefähr so gut zu meinem neuen Alltag wie weiße Blusen zu Bananenmatsch. Vollzeit? No way. 8 Uhr morgens im Büro? Da saß ich meistens noch im Schlafanzug auf dem Teppich und verhandelte mit einem Zweijährigen über das Anziehen.
Also fingen wir klein an. Mein Partner und ich setzten uns hin und rechneten durch: Wie viel Geld brauchen wir? Wie viele Stunden können wir realistischerweise arbeiten? Wer bringt das Kind in die Kita, wer holt es ab? Wer arbeitet wann im Homeoffice, wer hat welche Meetings? Ein Orga-Puzzle deluxe – mit wöchentlich wechselnden Teilen.
Und ganz ehrlich? Manchmal war dieses Puzzle einfach nicht lösbar. Dann saßen wir abends auf dem Sofa, jeder mit einem Glas Wein, und starrten auf unsere Handys, um den nächsten Tag halbwegs planbar zu machen. Spoiler: Hat selten geklappt.
Und dann war da noch diese Frage: Will ich überhaupt zurück in den alten Job? Oder ist das jetzt der Moment, an dem ich etwas ganz anderes wagen darf? Vielleicht sogar muss?
Loslassen, neu denken, neu bewerben
Ich hatte mich verändert. Das wurde mir spätestens klar, als ich versuchte, ein Bewerbungsschreiben zu formulieren und stattdessen anfing, die ersten Zeilen wie ein Kita-Tagebuch zu schreiben. Meine Prioritäten hatten sich verschoben. Ich konnte plötzlich zehn Dinge gleichzeitig, aber keine davon ohne Unterbrechung. Ich hatte ein unfassbares Organisationstalent entwickelt, aber keine Ahnung mehr, was „Scrum“ nochmal war.
Also habe ich mich hingesetzt und mein Profil neu gedacht. Was kann ich jetzt besser als vorher? (Multitasking, Konfliktmanagement, kreative Problemlösung mit Wackelpudding.) Was brauche ich, damit ein Job zu meinem Leben passt? (Flexibilität, Verständnis, echte Teilzeit. Und genug Kaffee.)
Ich habe Bewerbungen geschrieben. Viele. Ich habe Absagen kassiert. Noch mehr. Ich habe an meinem Lebenslauf gefeilt, meine LinkedIn-Seite poliert, mein Selbstbewusstsein auf Hochglanz gebracht – zumindest äußerlich. Innerlich war ich oft ein Nervenbündel.
Ich habe Vorstellungsgespräche mit Baby auf dem Arm geführt, mein Kind während Zoom-Interviews mit Reiswaffeln ruhiggestellt und mir bei einem Termin sogar mal Spucke auf der Bluse eingefangen. Aber irgendwann – nach Wochen des Zweifelns, Hoffens, Wutschnaubens und „Ich schmeiß alles hin“ – kam eine Zusage. Teilzeit, Homeoffice, nette Leute. Kein Bürohund, aber immerhin eine Kaffeemaschine im Videohintergrund.
Und die erste Woche war… anstrengend. Ich war abends platt wie ein benutzter Waschlappen. Aber ich war auch stolz. So stolz. Weil ich es geschafft hatte, weil ich morgens wieder andere Kleidung trug als Jogginghose, weil ich Mails schrieb, die mit „Mit freundlichen Grüßen“ endeten statt mit „Mama liebt dich“.
Der Krippenstart und das schlechte Gewissen deluxe
Parallel zum Jobstart kam der Krippenstart. Klingt logisch, ist aber emotional ein echtes Brett. Ich erinnere mich noch, wie ich im Auto saß, nachdem ich mein Kind das erste Mal abgegeben hatte. Ich hatte es extra nicht weinen lassen. Wir hatten uns langsam eingewöhnt, die Erzieherinnen waren toll, das Kind schien happy. Und trotzdem saß ich da, mit Kloß im Hals und dem Gedanken: „Was, wenn er mich jetzt weniger braucht?“
Spoiler: Braucht er nicht weniger. Nur anders. Und das ist okay. Und ja, der Abschied wurde besser. Irgendwann. Mit Taschentüchern in der Jackentasche und einem festen Ritual: Kuss, Umarmung, Winken am Fenster.
Wir haben viel geredet in dieser Zeit. Mein Partner und ich, mit Freunden, mit der Familie. Haben uns gegenseitig Mut gemacht, wenn einer von uns dachte, alles falsch zu machen. Denn das Gefühl hatte jeder mal. Ich beim dritten verschlafenen Morgenmeeting, er beim vierten Kita-Anruf „Kind hat Fieber“.
Und ganz ehrlich: Dieses ewige Jonglieren mit allem – Terminen, Emotionen, Erwartungen – war oft zum Haareraufen. Aber es war auch irgendwie… unser neues Normal. Nicht schön oder perfekt. Aber ehrlich. Und lebendig.
Vereinbarkeit in echt: kein Insta-Glanz, sondern echte Kompromisse
Was uns geholfen hat? Realistische Erwartungen. Und ein dickes Fell. Wir haben gelernt, dass „Vereinbarkeit“ in echt bedeutet: Immer ein bisschen zu wenig für alles zu sein. Immer irgendwo ein schlechtes Gewissen zu haben. Aber eben auch: Immer wieder neu zu priorisieren. Und sich gegenseitig den Rücken zu stärken.
Wir haben angefangen, jede Woche durchzusprechen: Was steht an? Wo können wir uns entlasten? Wer braucht wann mal Pause? Wer ist wann abends raus, weil die Nerven blank liegen? Und wer sagt dem Kita-Team, dass unser Kind heute wieder mit zwei verschiedenen Socken kommt – weil ehrlich gesagt: es ist uns einfach egal.
Und irgendwann – zwischen Kinderarzttermin und Zoom-Call – merkte ich: Ich bin wieder drin. Nicht wie früher. Anders. Aber drin. Ich kann wieder mitreden. Ich bringe neue Perspektiven ein. Ich bin nicht „trotz Kind“ wieder berufstätig. Ich bin gerade wegen dieses Kindes so strukturiert, empathisch und fokussiert wie nie.
Ich habe gelernt, Pausen wirklich zu nutzen. Mich mittags für zehn Minuten auf die Couch zu legen, ohne schlechtes Gewissen. Meetings abzusagen, wenn mein Kind krank ist, ohne mich zu rechtfertigen. Und ich habe Kolleg*innen, die das verstehen. Weil sie selbst Eltern sind. Oder einfach mitfühlende Menschen. Das hilft.
Was ich anderen Eltern sagen würde
Wenn du gerade an dem Punkt bist, wo du dich fragst, wie der Wiedereinstieg klappen soll – dann erstmal: Atmen. Es muss nicht perfekt sein. Es darf sich komisch anfühlen. Es ist okay, sich gleichzeitig zu freuen und zu zweifeln.
Mach kleine Schritte. Rede mit deinem Umfeld. Hol dir Unterstützung. Und wenn du kannst, such dir einen Job, der zu dir passt – nicht umgekehrt. Du hast dich verändert. Und das ist keine Schwäche, sondern deine größte Ressource.
Lass dir nicht einreden, dass du weniger wert bist, weil du eine Pause gemacht hast. Elternzeit ist keine Auszeit. Es ist Hardcore-Management, rund um die Uhr, ohne Wochenende, ohne Bonuszahlung. Und die Skills, die du da gelernt hast – Geduld, Stressresistenz, Improvisation – sind unbezahlbar.
Und ja, du wirst Tage haben, an denen du denkst: „Ich schaffe das nicht.“ Aber du wirst sie trotzdem schaffen. Nicht perfekt. Aber mit Herz, Humor und ganz viel Alltagstalent. Und irgendwann wirst du dich dabei ertappen, wie du nach Feierabend im Auto laut mitsingst – einfach, weil du’s kannst. Und weil du dir diesen kleinen Moment nur für dich gönnst.